Das MSO zieht alle Register

Kai Widhalm am 05.03.2024

Das MSO zieht alle Register

Bei den Neujahrskonzerten besticht das Modern Sound[s] Orchestra (MSO) im Aegi und in der CD-Kaserne durch seine klangliche Variabilität

Das MSO zieht alle Register

Bei den Neujahrskonzerten besticht das Modern Sound[s] Orchestra (MSO) im Aegi und in der CD-Kaserne durch seine klangliche Variabilität

Tin Whistle. Irische Holzflöte. Bariton. Piccolotrompete. Holztisch. Selten erlebt man bei einem sinfonischen Blasorchester in allen Registern eine solche Ansammlung so spezieller Instrumente mitsamt derer, die diese auch perfekt zum Klingen bringen können. Holztisch? Korrekt: Auch der Holztisch avancierte am 24. und 25. Februar zu einem wahrhaftigen Musikinstrument, indem sein Klang als akustische Imitation der schnellen Stepptanzschritte von „Lord of the Dance“ diente Rasant trommelten die Mitglieder der Schlagzeug-Section auf die Platte, dass es nur so krachte.

Zu diesem Zeitpunkt lag das zweieinhalbstündige Konzert des in Seelze beheimateten Ensembles bereits auf der Zielgeraden. Vorausgegangen waren Originalkompositionen und Arrangements, die in diesem Jahr allesamt unter dem Motto „Frei sein!“ standen. Aktueller denn je wurde das Motto im Laufe der Vorbereitung durch die zahlreichen Krisen, sodass Dirigent Henning Klingemann in seiner Moderation die besondere Bedeutung herausstellte, die individuelle Freiheit für ihn bedeute. Eigenständig Entscheidungen für sein Privat- und Berufsleben treffen zu dürfen, erweise sich „als großes Privileg“. Die Wahl, freiwillig mit dem MSO zu musizieren, gehöre eindeutig dazu – welch ein Glücksfall für die Musizierenden und somit auch für das Publikum!

Frei und leicht führte er sein Orchester aus Jacques Offenbachs „Unterwelt“ (mit ihren zahlreichen und bravourös gespielten Solopassagenen) in den exotischen Amazonas. Diese Region bildete das Zentrum des diesjährigen Hauptwerks „Libertadores“ von Óscar Navarro. Auch hier warteten die 60 Musikerinnen und Musiker mit Besonderheiten wie dem Singen eines indigenen Mayalieds oder einer längeren Bodypercussion-Passage über einer wunderschönen Kantilene auf. Mit der Einbeziehung des Publikums war dies perfekt abgestimmt und so gut in Szene gesetzt, dass das Werk über den Befreiungskampf von der spanischen Kolonialherrschaft auch in der Pause noch lange im Ohr blieb.

Im zweiten Teil bewies das MSO seine Wandlungsfähigkeit: Erklang eben noch die feierliche „Fanfare“, ging es nahtlos in einen coolen „Funk“ über und dann schon wieder hin zur Adaption einer Synthieband. Dem grandiosen Arrangement von Thiemo Kraas war es zudem zu verdanken, dass ein Orchester den Sound in Alphavilles „Forever Young“ so stilecht imitieren konnte. Ergänzend gab es auch Filmmusik, die so im Kino war oder sein könnte: „Throne of the North“ stellte sehr klangmalerisch den Kampf gegen die Wikinger dar, während der Soundtrack zu „Vaiana“ nicht nur den Jüngeren im Saal ohnehin schon vertraut war.

So steuerte alles auf das Finale mit dem Holztisch zu: In „Sound of Ireland“ bewies das MSO seine fulminante Balance zwischen Holz- und Blechbläsern sowie dem Schlagwerk. Immer wieder traten einzelne Solistinnen und Solisten hervor, ehe sie sich dann wieder im Tutti einordneten. Die Leidenschaft konnte Klingemann bravourös aus seinem Orchester herauskitzeln, wie etwa in „Auld Lang Syne“ oder dem verträumten „Song for Ireland“. Der Spielwitz zeigte sich etwa in schnellen Tänzen wie der „Irish Hornpipe“ oder eben genau dem Trommeln auf der Tischplatte, bis dann das gesamte Orchester nur so durch den Saal steppte.

Das Publikum in jenem Saal war voller Begeisterung und spendete im Stehen Applaus, sodass zur Freude aller ein Mix aus „Can-Can“ und dem Irlandfinale als Zugabe geboten wurde. Auch dann forderten die knapp 900 Besucherinnen und Besucher an den beiden Konzerttagen noch immer mehr: Zur Abkühlung entließ das MSO sie dann schließlich mit „seiner“ Hymne: der Auftragskomposition „Hymn for a Hero“ aus „A Hero’s Tale“ von Bert Appermont. Noch so eine der Melodien, die lange im Kopf bleibt.

Zum Glück wird beim MSO nach Neujahr schon bald Geburtstag gefeiert, denn der Verein des Orchesters – das Jugendblasorchester Seelze – feiert im am 15. Juni sein 30-jähriges Jubiläum mit einem großen Gemeinschaftskonzert aller Vereinsensembles in seiner Heimatstadt. Es bleibt nach so einem Abend daher die Vorfreude darauf, was für Überraschungen dann wieder aufgetischt werden.

Was ist Freiheit für Sie? Das Orchester freut sich auf Ihre Interpretation des Begriffs auf dem Instagram-Kanal @modernsoundsorchestra.

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